Voltawunder

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Als erstes einmal ein kleiner Nachtrag zu meinem letzten Eintrag: Mein Pulli ist schon seit einiger Zeit fertig! Das Design des Stoffes ist finde ich wunderschön, auch wenn es dadurch garnicht so einfach war es richtig zu nähen.

(Mit einem Doppelklick könnt ihr die Fotos übrigens auch vergrößern)

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Nun aber zu meinem lang versprochenen Bericht über meine Reise quer über den Voltasee. Ich habe lange überlegt und gezögert, bevor ich diese letzte Reise antrat, doch im Nachhinein bin ich sehr froh darüber, dass ich dann doch beschloss mich allein auf den Weg zu machen.

Das erste Wegstück musste ich sogar garnicht allein zurücklegen, denn Joyce wollte mit ihrer Familie ebenfalls nach Tamale fahren und das zufälligerweise eben an dem Morgen, an dem auch ich den Beginn meiner Fahrt geplant hatte. So saß ich auf dem 3stündigen Weg nach Tamale in einem bequemen Auto, statt in einem engen Trotro. Das Joyce Familie ein Auto hat ist hier in Ghana ein absoluter Luxus und zeigt, dass sie zu den gut situierten des Dorfes gehören. Zwar wurde die Fahrt sehr windig, da die Fensterscheibe der Beifahrerseite nicht vorhanden ist und erst am Ziel repariert werden konnte, aber dennoch war es eine angenehme und fröhliche Fahrt.

Auf dem Weg zum Abfahrthafen der Yapei Queen, die mich über den Voltastausee bis hinunter nach Akosombe bringen sollte, war mein erster Zwischenhalt Salaga. Bevor ich mich von Joyce verabschiedete half sie mir das richtige Trotro zu finden und schon bald saß ich in einem engen, ruckelnden Wagen auf dem Weg in den kleinen Ort.

Schon auf dem Weg merkte ich, dass wir uns so langsam auf den Voltasee zubewegten, denn die Landschaft wurde zusehens grüner. Nach dem trocknen Staub, der in Nalerigu noch immer die Oberhand hat, obwohl die Regenzeit schon längst hätte beginnen sollen, war das eine mehr als willkommene Abwechslung.

In Salaga angekommen, fand ich beim dritten Hostel schließlich ein Zimmer, um mich von dem ersten Tag meiner Reise auszuruhen.

Vorher allerdings lieh mir eine Mitarbeiterin des Hostel netterweise noch ihr Fahrrad aus, so dass ich mich ein wenig in Salaga umschauen konnte, um anschließend im Restaurante des Hostel Fufu mit Lightsoup zu genießen.

Fufu ist eine Art Kloß, der aus gestampftem Yam geformt wird. Yam könnte man wohl am ehesten mit Kartoffeln vergleichen, obwohl die Yamwurzeln gut Unterarm lang und sehr dick sind.

Am nächsten Morgen machte ich mich schon früh auf den Weg nach Makongo, wo ich auf die andere Seite des Voltasees, nach Yeji übersetzten wollte.

Nachdem ich mein Ticket gekauft hatte und darauf wartete, dass sich das Trotro langsam füllte, gönnte ich mir eines der typisch ghanaischen Straßenfrühstücke: Brot und Ei in der Pfanne gebraten und einen Kakao aus der Plastiktüte.

Wenn mich in Deutschland also einmal eine Sehnsucht nach ghanaischer Küche überkommen sollte, wäre Kakao aus der Plastiktüte wohl am schnellsten zubereitet.

Die Straße nach Makongo war eine der am schlechtesten ausgebauten Straßen, die ich in Ghana bisher erlebt habe. Als wir ankamen kam ich mir vor, als hätte ich in Staub gebadet. Der Ausblick über die Ausläufer des Voltasees machten das allerdings wieder gut.

Nach einer weiteren Wartezeit kam schließlich das Boot, das mich und etliche Andere übersetzen sollte. Erwartet hatte ich eine kleine Autofähre, wodurch ich beim Anblick des Einbaums ein wenig überrascht war.

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Der Voltastausee wurde 1961 geschaffen. In Anbetracht der Tatsache, dass er so schon seit über 50 Jahre besteht, war ich etwas verwundert darüber, dass in der Mitte des Sees noch immer etliche Baustümpfe aus dem Wasser ragen. Die scheinen froh über diese Tatsache zu sein und nutzen sie nur allzu gerne zum Spannen ihrer Netzte.

Auch der Rest des Landes profitiert von diesem See, denn sein Wasser wird genutzt, um Ghana mit Strom zu versorgen. Da in der Trockenzeit Wasserknappheit herrscht und dadurch nur begrenzt Elektrizität zur Verfügung steht werden die Regionen nacheinander vom Stromnetzt abgeschnitten. Dadurch hatten wir in Nalerigu für eine lange Zeit den Rhythmus 12 Stunden Strom an, 24 Stunden Strom aus, 12 Stunden Strom an. Das kann zwar mitunter sehr nervig sein, aber wenigstens kann man sich so darauf einstellen und wird von dem „Light off“, wie es hier genannt wird, nicht überrascht.

Auf der anderern Seite in Yeji angekommen, musste ich mich auf eine lange Wartezeit vorbereiten. Ich kam schon am frühen Vormittag dort an, doch das Schiff wurde erst am späten Nachmittag erwartet. Ein Mitpassagier des Einbaums machte mich jedoch mit einigen Brotverkäufern bekannt, zu denen ich mich nun also gesellen konnte.

Es wurde ein interessanter Tag, an dem ich etliche Heiratsanträge abwehren musste. Zum Glück hatte ich mir nicht lange vorher einen falschen Ehering zugelegt. Dieser half. Warf allerdings auch etliche Fragen auf, die ich so gut wie möglich mit zusammen geschusterten Lügen beantwortete. Häufig kam die Frage, ob ich denn schon Kinder hätte. Wie ich meinen Ehemann für so lange Zeit den allein lassen könne. Ob er das gut heißen würde. Hier in Ghana ist es übrigens garnichts ungewöhnliches mit 20 schon verheiratet zu sein. Wen eine Frau erst mit 26 heiratet wird das als sehr spät angesehen.

Dann kam natürlich auch die Frage danach, ob ich nicht bei der Einreise nach Deutschland helfen könne. Dabei haben die Menschen meiner Meinung nach oft ein völlig undefiniertes Bild davon, was sie in Deutschland erwartet. Auf jeden Fall etwas besseres ist dabei der Grundtenor. Dass es auch in Deutschland Armut und Arbeitslosigkeit gibt, dass ein Führerschein einen nicht direkt zum Taxi oder Busfahrer macht, dass man keineswegs einfach etwas backen und auf der Straße verkaufen kann, wie hier in Ghana, darüber machen sich die Menschen keine Gedanken. Wie sollen sie es auch wissen können?

Der Satz der bei dieses Gesprächen am eindrucksvollsten bei mir hängen geblieben ist war: „…aber du bist doch eine Weiße, du kannst mir doch einen Pass ausstellen.“ Diese Antwort bekam ich auf meine Aussage, dass ich nicht dabei helfen könne ein Visum nach Deutschland zu bekommen und schon gar keinen Pass abstempeln.

Diese Antwort zeigt mir auch wieder einmal für wie absurd überlegen die Weißen manchmal angesehen werden.

Eine Geschichte lautet beispielsweise:

Als Gott die Welt erschuf befahl er den Menschen die Augen zu schließen, damit sie nicht sahen, was er tat. Der weiße Mann jedoch gehorchte nicht und hielt sich die Finger vor die Augen, während er mit den Augen blinzelte. So konnte er sich abschauen, wie Gott etwas erschuf, wodurch er diese Fähigkeit noch immer besitzt. Im Gegensatz zum schwarzen Mann, der nichts Neues erschaffen kann.

Mit dieser Geschichte sind Dinge wie Flugzeuge, Schiffe, Autos gemeint.

Wenn ich solche Geschichten zu Ohren bekomme bin ich manchmal sprachlos.

Einmal hat mich eines der Kinder im Waisenhaus auch gefragt: „Warum kommt der Weinhnachtsmann nicht zu uns nach Afrika? Mag der uns etwas nicht?“ Ich stand vollkommen sprachlos da und wusste nicht was ich sagen sollte.

Solche Dinge bekommt man also unter anderem mit, wenn man einen Tag an einem ghanaischen Hafen sitzt und sich mit den Menschen unterhält.

Allmählich wurde es dunkel und so langsam machte ich mir ernsthafte Sorgen darüber, wann das Schiff endlich ankommen würde.

Die Leute waren zwar hilfsbereit, aber dennoch fühlte ich mich in der Dunkelheit etwa einsam und verloren. So war ich sehr erleichtert als das Schiff um 12 Uhr nachts endlich einlief und ich an Deck gehen konnte. Die erste halbe Nacht an Bord war wohl die schlafloseste Nacht die ich in Ghana bisher erlebt habe. Die Yapei Queen besteht im Grunde aus einer Fläche für Transportgut und Autos, zwei großen Gemeinschaftsräumen, dem Deck und ein paar Kojen für die Besatzung. Passagiere schlafen also in den Gemeinschaftsräumen. Genau das tat ich also auch. Versuchte es zumindest. Die Bänke waren belegt, so dass ich mich nicht auf einer ausstrecken konnte. So legte ich mich auf den harten umd kalten Boden. Eine recht unbequeme Angelegenheit, trotz meiner Regenjacke und des Stoffes, den ich auf dem Boden ausbreitete.

Aber auch diese Nacht ging vorüber und am nächsten Morgen genoss ich wieder einmal ein typisch ghanaisches Frühstück und die Gesellschaft meiner Mitreisenden.

An diesem ersten Tag meiner Reise genoss ich viel die Ruhe an Deck. Erstaunlicherweise war es hier wie leergefegt, obwohl es hier doch die beste Aussicht gab. Im Gegensatz zu dem lauten Fernsehgedröhne und Kindergeschrei im Gemeinschaftsraum war es hier angenehm still und ein leichter Wind ging.

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An diesem Tag machten wir mehrer Stops in kleinen Orten entlang des Sees. Der erste Halt war recht kurz, einige Passagiere verließen das Schiff, einige kamen hinzu.

Am nächsten Ort hielten wir für eine ziemlich lange Weile, ich glaube es waren 3 bis vier Stunden, während denen Jam auf das Schiff geladen wurde. Es war unglaublich zu sehen mit welcher Ausdauer die Frauen, Männer und Jungen in der Hitze arbeiteten. Die Frauen brachten den Yam in großen Schüsseln an Bord und die Männer und Jungen stapelten ihn in große Kisten.

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Andere Kinder verkauften Getränke und Essen, manche kamen an Bord, um sich den Film im TV anzuschauen oder einfach, um die Gemeinschaftsräume und das Schiff zu sehen.

Mit einem Mädchen, dass ihre Großmutter in Yeji besucht hatte saß ich da, unterhielt mich mit ihr und beobachtete das Treiben.

An Deck fand ich zwischendurch von alldem ein bisschen Ruhe.

Obwohl ich auch hier wiedereinmal einen Heiratsantrag bekam, zum Glück von einem Mann, der sich das Schiff bloß anschaute und von Bord ging, als die Fähre sich nach einem Halt wieder in Gang setzte.

Die Crew stellte mir außerdem wieder viele Fragen über meinen Ehering und waren auch sonst sehr hilsbereit und meinten ich solle doch an Deck schlafen, statt im Gemeinschaftsraum.

So beschloss ich in dieser Nacht auf einer der Bänke dort zu schlafen. Das war zwar genauso hart, aber weniger kalt und stickig.

Hier konnte ich den Sonnenuntergang, den wundervollen nächtlichen Sternenhimmel und den Sonnenaufgang bewundern. Fantastisch.

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Am nächsten Tag machte ich nähere Bekannschaft mit der 10-jährigen Tochter Whitney eines Crewmitgliedes. Da gerade Ferien waren war sie mit an Bord gekommen, um ihrer Mutter und Großmutter zur Hand zu gehen. Sie zeigte mir verschiedene ghanaische Spiele, Reime, brachte mir die Zahlen von 1 bis 10 in ihrer lokalen Sprache bei (dessen Name ich leider schon wieder vergessen habe), flocht meine Haare und fragte mich allerlei über Deutschland aus.

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Ein wundervoller Moment an diesem Tag war, als wir an einer Insel im Voltasee vorbeifuhren von der ein Schwarm Schmetterlinge herüber geflogen kam und plötzlich das Boot umflatterten. Ich fühlte mich wie in einem Märchenfilm. Ein fantastischer Augenblick!

Von diesen Inseln kamen allerdings nicht bloße schöne Schmetterling, sondern auch zwei viel zu große Bremsen, von denen eine mich fast ins Bein biss. Zum Glück warnte eine Frau mich noch rechtzeitig und so ist es nur ein kleinen wenig angeschwollen.

Um circa 8 Uhr abends erreichten wir unser Ziel Akosombo.

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Da es allerdings schon stockdunkel war und die Crew mir anbot noch an Deck zu bleiben, machte ich mich an diesem Abend noch nicht auf nach Akosombo, sondern verbrachte eine weitere Nacht auf der harten Bank.

Am nächsten Morgen nahmen mich Whitney und ihre Familie mit nach Akosombo, das ein Stück entfernt vom Hafen liegt, und brachten mich dort sogar noch zu einem Hostel. Dort angekommen verbrachte ich den Tag mit faulenzen und schlafen. Es ist unglaublich wie sehr ich plötzlich eine saubere ordentliche Dusche und eine anständige Matratze zu würdigen wusste.

Auf dem Markt kaufte ich mir schließlich noch etwas Obst und ausnahmsweise Schmierkäse (ich hab mich also richtig verwöhnt), um es mit dem Dosengraubrot zu essen, dass meine Geschwister mir mitgebracht hatten und das ich mir bisher aufgehoben hatte.

Mit diesem Tag war mein Urlaub auch schon fast wieder zu Ende. Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg nach Accra, um dort ein unglaublich leeres Flugzeug hoch nach Tamale zu nehmen. In Tamale verbrachte ich dann noch zwei Nächte, einfach um noch etwas über Markt und Kulturmarkt zu streifen und noch für eine Weile etwas anderes zu sehen.

Was bin ich froh, dass ich diese Reise unternommen habe und so viele neue Dinge sehen und lernen konnte.

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